Trainingsvolumen für Muskelwachstum – wissenschaftlich betrachtet

Trainingsvolumen für Muskelwachstum – wissenschaftlich betrachtet

Kernpunkte:

  • Studien haben gezeigt, dass Muskeln in einem großen Spektrum an Wiederholungen wachsen.
  • Unterschiedliche Trainingspläne rufen, selbst mit sehr unterschiedlichem Trainingsvolumen, ähnliche Muskelwachstumsraten hervor.
  • Gewinne an Kraft und Ausdauer sind eng verbunden mit dem Wiederholungsbereich.
  • Beim Muskelaufbautraining ist es sinnvoller, an das Trainingsvolumen zu denken und an die Anzahl an ermüdenden Sätzen pro Muskel statt an “Sätze mal Wiederholungen mal Gewicht”.

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Im Internet gibt es eine scheinbar nicht enden wollende Fülle an Empfehlungen für optimales Muskelwachstum. Ganz klassische Empfehlungen sind z. B.:

  • 1-5 Wiederholungen für Kraftaufbau
  • 8-12 Wiederholungen für Muskelmasse
  • 15-20 Wiederholungen für Muskelausdauer

Doch stimmen diese Empfehlungen wirklich? Schauen wir uns das ein wenig genauer an. Zunächst müssen wir dafür aber ein paar Konzepte verstehen:

Myofibrilläre Hypertrophie und sarkoplasmatische Hypertrophie

Es gibt zwei Begriffe, die meist verwendet werden, wenn man die Stärke- und Masseunterschiede zwischen einzelnen Athleten, die unterschiedlich trainieren, erklären will: Myofibrilläre Hypertrophie und Sarkoplasmatische Hypertrophie. Hypertrophie ist die Volumenzunahme eines Gewebes durch Vergrößerung des Zellvolumens, also Muskelwachstum. Bei der myofibrillären Hypertrophie nimmt die Zahl der Myofibrillen zu, was zu mehr Kraft führt, aber eher wenig Volumen liefert. Bei der sarkoplasmatischen Hypertrophie dagegen kommt es zu einer Zunahme von Flüssigkeit in den Muskelzellen, die Muskelmasse wird größer, die Kraft nicht unbedingt. (Das ist auch der Grund, warum Bodybuilder nicht so stark sind wie bspw. Gewichtheber, sieht man sich das Verhältnis zur Muskelmasse an.)

Unterschiedliche Muskelfasern

Der Muskel besteht aus unterschiedlichen Fasern. Es gibt kleinere, langsamere Einheiten und größere, schnellere. Zuerst verwendet der Muskel bei Anstrengung immer die langsameren, erst später die schnelleren — und zwar so lange, bis die Kraftanforderungen erfüllt sind oder nicht mehr erfüllt werden können.1

Kann ich also z. B. eine Zehn-Kilo-Hantel zehn Mal heben, verwendet mein Körper bei den ersten paar Wiederholungen nur die kleineren und langsameren Muskeleinheiten und Fasern. Ab der sechsten Wiederholung sind die kleineren Fasern ermüdet und haben nicht mehr genügend Kraft, um das Gewicht zu bewegen. Dann nutzt der Körper die größeren Muskelfasern. Bei der zehnten Wiederholung wurden alle Muskelfasern beansprucht und können nicht mehr genügend Kraft erzeugen. Das gleiche gilt bei schwereren oder leichteren Gewichten. Kann ich ein leichtes Gewicht dreißig Mal heben, dauert es bis zur etwa fünfzehnten Bewegung, bevor der Körper die größeren Fasern aktiviert, bei schwereren Gewichten und weniger möglichen Wiederholungen geht es dementsprechend schneller. (In der Praxis ist dieses Konzept komplizierter, aber das Grundkonzept ist damit hinreichend erklärt.)

Was verursacht Muskelermüdung?

Wir wissen, dass bei der Muskelkontraktion metabolische Nebenprodukte entstehen. Außerdem wird dabei die Blutzufuhr zum Muskel behindert, weshalb diese Nebenprodukte langsamer abtransportiert werden. Sobald sich die Konzentration dieser Stoffwechselprodukte erhöht, wird die Muskelkontraktion beeinträchtigt. (Dieses Konzept wurde auch in einer Studie beispielhaft gezeigt, in der die Blutzufuhr zum Muskel während des Trainings mit einem Druckverband reduziert wurde. Die Probanden kamen so an ihre durchschnittlichen Trainingsleistungen nicht heran. Mit dieser Methode wurden signifikant weniger Gewicht und weniger Wiederholungen geschafft. Trotzdem zeigte sich dasselbe Muskelwachstum wie bei schwereren Gewichten ohne Reduzierung der Blutzufuhr.)2

Das Konzept der Muskelermüdung ist wichtig, weil es nach derzeitigem Wissensstand so aussieht, als müssten Muskelfasern zumindest eine gewisse Müdigkeit erfahren, um zu wachsen. Jede Ermüdung im Muskel ruft ein wenig Wachstum hervor, weshalb mehrere Sätze, die bis zum Muskelversagen gehen, mehr Muskelwachstum hervorrufen.

Effekte unterschiedlicher Wiederholungsanzahl auf das Muskelwachstum

Jetzt, da wir ein paar grundsätzliche Konzepte genauer betrachtet haben, können wir gleich einmal etwas feststellen. Fakt ist, dass die Empfehlungen, die es heute schon zum Thema Trainingsvolumen und Muskelwachstum gibt, funktionieren. (Sie sind aber nur ein kleiner Teil des Gesamtbilds.) Heute wird fürs Krafttraining empfohlen, dass man für jeden Satz eine maximale Intensität und Anstrengung anstrebt, also trainiert, bis der Muskel versagt.3

Eine Metaanalyse kam zu dem Schluss, dass bei schwereren Gewichten mehr Muskelwachstum zu beobachten war. Die Zugewinne an Stärke waren bei schweren Gewichten auch höher.4

Wie sieht es aber mit dem Effekt der Wiederholungsanzahl auf das Muskelwachstum aus. Schauen wir uns das nun genauer an. Betrachtet man einzelne Studien zu diesem Thema, so finden sich ein paar Muster, die immer wieder vorkommen:

Ein wichtiger Faktor beim Muskelwachstum scheint die Satzanzahl zu sein. Das gilt aber nicht uneingeschränkt. Überschreitet man z. B. eine gewisse Satzanzahl pro Woche pro Muskelgruppe, stellt sich kein zusätzliches Wachstum mehr ein. So zeigte sich, dass bei ungefähr neue Sätzen Schluss war. Alles, was darüber hinaus trainiert wurde, führte nur zu minimalem zusätzlichem Muskelwachstum.

Schwere Gewichte machen die Leute besser darin, schwere Gewichte zu heben; leichte Gewichte machen sie besser darin, leichte Gewichte zu heben. Der Körper passt sich an die Herausforderungen an, die man ihm stellt. Das Muskelwachstum war dabei aber grundsätzlich dasselbe.

Eine höhere Satzzahl könnte die Effekte auf Stärke und Hypertrophie verstärken. Es kam in Studien nämlich auch bei Training mit geringem Gewicht zu ähnlichem Muskelwachstum wie beim Training mit schweren Gewichten, wenn die Satzanzahl entsprechend höher war.5

Schlussfolgerungen

  • Sätze müssen anstrengend sein, damit alle Fasern im Muskel ermüdet werden. Ab wann Muskelwachstum beim Training angeregt wird, wissen wir noch immer nicht, und es gibt auch Menschen, die Muskelmasse aufbauen, ohne jemals an die Ermüdungsgrenze zu gehen. Generell ist optimales Muskelwachstum jedoch eher in der Nähe der Grenze möglich.
  • Die Wiederholungsanzahl spielt praktisch keine Rolle, wenn man Muskeln aufbauen will, solange die Anstrengung pro Satz gleich hoch ist. Die Muskeln wachsen gleich stark, ob ich nun mit hohem Gewicht nach drei Wiederholungen nicht mehr kann oder mit wenig Gewicht nach dreißig. Es kommt auf die Ermüdung an.
  • Stärkesteigerungen sind dagegen spezifisch hinsichtlich der verwendeten Wiederholungszahl. Will ich meine Maximalkraft bei einer Wiederholung pro Satz steigern, muss ich auch mit Gewichten arbeiten, die nahe an das herankommen. Will ich besser bei vielen Wiederholungen werden, muss ich leichtere Gewichte nehmen. Macht man beides, kann man bei beidem besser werden.
  • Eine erhöhte Satzanzahl und / oder mehr Gewicht führt zu besseren Resultaten. (Einzeln betrachtet, sind mehr Sätze wahrscheinlich aber besser als mehr Gewicht.)

Fazit

Wie es aussieht, führt eine große Anzahl von Strategien zum Erfolg. Diese folgen aber scheinbar alle den gleichen paar Grundregeln, die den hier behandelten Prinzipien sehr ähnlich sind. Halten Sie die Anstrengung hoch, halten Sie die Anzahl der Sätze hoch und passen Sie die Wiederholungszahl an die eigenen Ziele an; dann sollte Fortschritt kein Problem sein.

Die Anzahl an anstrengenden Sätzen zu zählen ist also ein einfacher, aber effektiver Weg, um seine Fortschritte zu messen.

Wichtig: Geht man immer ans Maximum, steigt die Verletzungswahrscheinlichkeit. Vor allem Anfänger sollten davon absehen, bis zur Ermüdung zu trainieren; wichtiger ist hier die optimale Übungsausführung.

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Quellen

1 Carpinelli: The size principle and a critical analysis of the unsubstantiated heavier-is-better recommendation for resistance training. J Exerc Sci Fit. 2008; 6(2): 67-86.

2 Loenneke, Wilson, Marín, Zourdos, Bemben: Low intensity blood flow restriction training: a meta-analysis. Eur J Appl Physiol. 2012; 112(5): 1849-59.

3 Fisher, Steele, Smith: Evidence-based resistance training recommendations for muscular hypertrophy. Med Sport. 2013; 17(4): 217-235.

4 Schoenfeld, Wilson, Lowery, Krieger: Muscular adaptations in low- versus high-load resistance training: A meta-analysis. Eur J Sport Sci. 2014: 1-10.

5 Krieger: Single vs. multiple sets of resistance exercise for muscle hypertrophy: a meta-analysis. J Strength Cond Res. 2010; 24(4): 1150-9.